Altötting. Der lichte Innenraum der Evangelischen Kirche „Zum Guten Hirten“ erscheint dem Erstbesucher wie ein architektonisches Gesamtkunstwerk, mit einem gleichsam schwebenden Gewölbe in zum Teil sichtbarer Holzkonstruktion, gestützt von vier schlanken und doch kräftigen Baumstammsäulen, die leicht zueinander geneigt sind. Dieser beeindruckende sakrale Raum konnte kaum die vielen Menschen fassen, die gekommen waren, um in Andacht des Leidens Christi am Karfreitag zu gedenken, bei der Aufführung von Joseph Haydns religiöser Komposition „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“, in der Fassung für Chor, Streichquartett und Rezitator.
Pfarrer Hans Ulrich Thoma betonte einführend den meditativen Charakter des Konzertes mit dem Grundgedanken, dass die Klage des sterbenden Jesus im Gegensatz zur Verzweiflung als Zeichen der Hoffnung zu verstehen sei. Den instrumentalen Teil gestaltete mit Können und Hingabe das Ensemble Italianita mit Lauro Comploj und Adela Frasineanu (Violinen), Jana Ibel (Viola) und Damiano Scarpa (Violoncello). Axel Burkhart als Rezitator erläuterte engagiert die einschlägigen Bibeltexte.
Musikalität und Präzision
Obwohl dem Streichquartett zahlenmäßig zehnfach überlegen, beschränkte sich der Anteil des Chores der Evangelischen Kantorei auf die Wiedergabe der tatsächlichen Sieben Letzten Worte. Wie aber André Gold die kurzen Sequenzen mit seinen Sängern umsetzte, war an Innigkeit, Ausdruckskraft und Dynamik nicht zu überbieten. Herrlich dabei das Ausklingen der erschütternden Klagen bis ins piano pianissimo.
Seine volle Pracht konnte der himmlisch rein eingesungene gemischte Chor bereits zu Beginn entfalten, bei der Uraufführung der ihm gewidmeten Komposition „Crucifixus“ für Chor und Solo-Cello des Dirigenten André Gold. Nach einer einsamen Klage des Cellos (Damiano Scarpa) intonierten die Gesangsstimmen einen Choral in Anlehnung an die drei Worte aus dem christlichen Glaubensbekenntnis „Crucifixus, passus et sepultus est“ − „Gekreuzigt, gestorben und begraben“. Grundsätzlich im tonalen Bereich verharrend, überrascht der Komponist mit neuen und doch als solche empfundenen Harmonien, mit gewagt dissonanten Akkorden, immer sinnvoll gelöst. Der Chor setzte alle Ideen mit der ihm eigenen Musikalität und Präzision um.
Der Evangelischen Kantorei mit ihrem beseelten Dirigenten André Gold ist es gelungen, ein weiteres kostbares Juwel in die Kette der Kirchenkonzerte hinzuzufügen.
− Marian Birken